Projektvorstellung
z u r ü c k
Theater RATTEN 07:
Ulli Beran, Billy V. Hauptmann, Heinz Kreitzen,
Hermann M. Krönke, Jan Schwier, Lotta Unglaube
Chor von Unten:
Isabella Krebs, Ulrike Kremer, Anders Kamp , Markus Siebenbrodt
Anders Kamp
Uta Kala
Kritik der Premiere von Michael Laages von 10.01.2019 (
www.nachtkritik.de )
"Die Sache mit der glücklosen deutschen Revolution vor mittlerweile
hundert-und-einem-Viertel Jahr im November 1918 ist ja noch lange nicht zu Ende verhandelt im Theater.
In Berlin zeigt jetzt „Ratten 07“ (das einst und zu Beginn der Castorf-Zeit an der Volksbühne
gegründete Obdachlosentheater, das immer noch aktiv ist! ) ein kleines Revolutionsspektakel unter
dem Titel „Der große Kladderadatsch“. Basis ist ein Text von Daniel Anderson, der 1988 das 70jährige
Revolutionsjubiläum feiern sollte. Zu Beginn, eine Alptraum-Fabel: Die treusorgende Arbeitermutter
hat im dräuenden Steckrübenwinter des letzten Kriegsjahres Pilze gesammelt für zwölf hungrige Mäuler
und nur das jüngste Kind (der Revolutionär!) verweigert das Essen.
Alle sterben in der Nacht, nur das kluge Kind stirbt nicht. Danach wird mit der
historischen Kuriosität gespielt, dass die erste Versammlung der Arbeiter und Soldaten-Räte im Berliner
Zirkus Busch stattfand - also sind die Revolutionäre, die Prinzipientreuen und die (natürlich sozialdemokratischen)
Verräter, allesamt Clowns. Und das Scheitern des Umbruchs wird zur Farce, in der sich alle blutige Nasen holen.
Ein wenig Geschichtsunterricht wird voran getrieben - wenn der sozialdemokratische Volksbeauftragte
Gustav Noske nach Kiel entsandt wird, um die Revolte dort zu entschärfen. Schließlich tanzen alle
(auch der vierköpfige „Chor von Unten“, der vorher schon das Moldau-Lied aus Brechts „Schwejk im
Zweiten Weltkrieg“ sang) zur heißen Luft des Schlagers „Kauf Dir einen roten Luftballon“ mit eben diesen,
bis sie platzen. Der Traum vom Umsturz endete ähnlich kläglich. Wie immer ist mit „Ratten 07“ eine wundersam
eigenwillige Bande bei der Arbeit zu beobachten. Natürlich ist „Der große Kladderadatsch“ im Blick von
„Ratten 07“ ein Pamphlet von unten gegen die (übrigens historisch auch nicht sehr glücklichen) Sieger
der Geschichte erst recht am originellen Spielort: Im „Museum des Kapitalismus“
in Kreuzberg, nicht weit vom Schlesischen Tor, wo im Parterre eines Neubaus die
offenkundigen Regeln des Kapitalismus im Geschwindschritt und mit einfachsten Mitteln, aber klassisch
klar erläutert werden. Zu diesem Ort passt die überlebensstarke Kraft von „Ratten 07“ ziemlich gut."
Die Produktion stellt sich vor
Der 100.Jahrestag der Novemberrevolution 1918 ist Anlass genug,
um über Revolution im umfassenden Sinne nachzudenken. Wir sind die Erben der Novemberrevolution,
dieser spontanen Massenbewegung, die stark mit der Russischen Revolution von 1917 assoziiert ist.
Interessant für uns sind diese historischen Ereignisse, da sie die Bedingungen und Grundlagen für
die politischen Entwicklungen bis heute schufen. Die Auseinandersetzung mit „Revolution“ basiert
auf den Geschehnissen der Novemberrevolution, ohne alle vergleichbaren Vorgänge jeglicher Politik
außer Acht zu lassen. Es soll verallgemeinert werden, soweit das möglich ist. Die Grundlage für
unsere Auseinandersetzung ist das Stück von Daniel Anderson „Gedenkprogramm zur Revolution“ von 1988.
Diese Uraufführung fand in der DDR statt. Anlaß für uns mit den politischen und sozialen Umbrüchen
innerhalb der letzten 30 Jahre auseinanderzusetzen. Eine Frage, die sich ergibt: Welchen Zusammenhang
gibt es für uns zwischen Revolution und unserem heutigen Verständnis von parlamentarischer Demokratie?
Im Prozess der Auseinandersetzung sind wir sowohl Lernende, als auch Lehrende.
Unser Ziel ist ein lebendiger „Geschichtsunterricht“ in Form einer theatralen
Intervention. Der Spielraum ist der öffentliche Raum, Orte und Plätze, die einen historischen Bezug
bieten, bis hin zu Museums– und Schulräumen. Der öffentliche Raum ist für theatrale Intervention ideal.
Es soll dabei kein Abriss der historischen Ereignisse als isolierte Handlung erfolgen. Mit unserer
Intervention wollen wir aktivieren, anregen zu politischem Interesse und zu einem progressiven
Geschichtsverständnis. Wir wollen das Verständnis wecken, dass „Revolution“ keine abstrakte Größe ist.
Die Akteure, unsere theatralen Intervention, sind Clowns. Die erste Reichsrätekonferenz
in Berlin fand am 10. November 1918 im Zirkus Busch statt. Aufgrund dieser historischen Tatsache lässt
sich ein Bezug mühelos herleiten.
Die kreative und fesselnde Spielweise der Clowns soll zum Nachdenken führen.
Produktives Nachdenken kann nur erreicht werden, wenn das Clowns Spiel MITTEL ZUM ZWECK ist.
Es gilt: Einfaches, deutliches und klares Spiel, um den größtmöglichen Assoziationsraum zu schaffen.
Das Ziel der RATTEN 07 ist es, mindestens drei Aufführungen zu prä-sentieren.
Für den Auftakt vorzugsweise Spielorte innerhalb Friedrichshain – Kreuzbergs, zu denen ein historischer,
bzw. ein thematischer Bezug herstellbar ist.
Freunde der Ratten e. V. / RATTEN 07 Berlin, November 2018
Das Projekt „RATTEN 07“ stellt sich vor
Das Theaterprojekt entstand im Dezember 1992 nach der Inszenierung „Die Pest“
an der Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz in Berlin. An dieser Inszenierung waren Obdachlose und
Theaterarbeiterinnen beteiligt, ihren Abschluss fand sie mit einer erfolgreichen Festivalbeteiligung
in Edinburgh. Nach der kurzzeitigen Vereinnahmung durch den auf sozialen Randgruppen-Reiz gedrillten
Theaterbetrieb wollten sich die Obdachlosen nicht wieder zurückdrängen lassen.
Die Sieben der ersten Stunde formierten sich zu einer Gruppe, um die beginnende
Theaterarbeit fortzusetzen.Im Januar 1993 gründeten Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen der
Volksbühne den Verein „Freunde der Ratten“. Der Verein fördert und begleitet mit seiner Arbeit
das gewachsene Ensemble.
Im Jahre 2002 haben Gruppe und Verein die Volksbühne verlassen, um als autonome
Theatergruppe zu agieren. Seit 2004 sind wir auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain verortet.
Die Vereinsmitglieder und die Theaterarbeiterinnen haben seither die organisatorischen und
strukturellen Aufgaben übernommen. Das Projekt hat in den letzten 26 Jahren einen immensen Mehrwert
an freiwilliger sozialer Arbeit produziert .
Ein Meilenstein auf dem Weg war 1995 der Förderpreis für Darstellende Kunst,
verliehen durch die Akademie der Künste. Ein weiterer 2010, als Gunter Seidler für seine langjährige
Arbeit als Regisseur und Vorsitzender des Vereins mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde.
Seit 2013 hat Uta Kala die künstlerische Leitung des Ensembles übernommen.
Produziert wurde unter anderem: „Gegen den Fortschritt“ und „GELD oder LEBEN I-IV“.
Mittlerweile können wir auf über 57 Produktionen, die wir zur Aufführung gebracht
haben, zurückblicken. Haben durch die kontinuierliche Theaterarbeit einen Erfahrungsschatz erschaffen,
der zur Professionalisierung des Ensembles geführt hat.
Die inhaltliche und künstlerische Gewichtung unserer Arbeit liegt auf Stücken
des klassischen und zeitgenössischen Politischen Theaters.
Wir, die Ratten, haben ein feines Gespür für die Entwicklungs-tendenzen in der
Gesellschaft – der politischen Landschaft. Wir sind es gewohnt, uns mittels Theaterarbeit einzumischen,
uns auseinanderzusetzen mit den gesellschaftlich relevanten Themen: Armut, soziale Ausgrenzung und
Verlust des sozialen Status.
Für jede geplante Produktionen müssen Förderanträge gestellt werden. Ohne deren
Bewilligung keine Produktion realisiert werden kann. In den letzten Jahren wurden einzelne Produktionen
durch den Bezirk Friedrichshain–Kreuzberg, oder der Senatskanzlei für Kultur und Europa gefördert.
Förderung, die zumindest partiell das Überleben der Theatergruppe sichern. Das Projekt RATTEN 07
erhält keine institutionelle Unterstützung, die eine kontinuierliche Arbeit ermöglicht.
Produktionen des Theaters RATTEN 07 (Auswahl 2019-2005)
2019 „Der große Kladderadatsch“ nach Daniel Anderson
2017 „RATTEN_MOBIL: Geld oder Leben IV“ von Werner Heck
2016 „Gegen den Fortschritt“ von Esteve Soler
2014 „HEIDIZEIT + Halluzinativer Abend im Gasometer“ nach David Lindemann
2014 „Endspiel“ von Samuel Beckett
2013 „RATTEN_MOBIL: Geld oder LEBEN I – III“ von Werner Heck
2012 „Biberpelzen“ freisinnig nach Gerhart Hauptmann
2011 „Der Revisor“ nach Nikolai Gogol
2010 „Wegen Reichtum geschlossen“ nach Tranked Dorst
2010 „Struwwelpeter“
2009 „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ von Bertolt Brecht
2008 „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht
2007 „Die Nashörner“ nach Eugéne Ionesco
2006 „Nachtasyl“ nach Maxim Gorki
2005 „Die Weber“ nach Gerhart Hauptmann
Mehr Infos HIER
Spendenkonto:
Kontoinhaber: Freunde der Ratten e. V.
Kreditinstitut: Berliner Volksbank eG
IBAN: DE26 1009 0000 7285 55 60 08
Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Getätigte Spenden sind steuerlich absetzbar.
n a c h o b e n
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