Produktionen seit 1992 - 1997

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Lumpazi Vagabundus

Nach Johann Nestroy
Im Zuge des ökonomischen Einigungsprozesses Europas vereinbarten die EU-Minister eine so enorme Vielzahl von Bedingungen und Voraussetzungen für die Mitgliedschaft ihrer Staaten in der Währungsunion, daß bei all den Zahlen und Prozentsätzen das Kleingedruckte des Maastrichter Vertrages allgemein rasch in Vergessenheit geriet. Beispielsweise die in aller Stille vereinbarte Umsiedlung unproduktiver Subjekte, im Vertragstext sogenannter "liederlicher Lumpen", in dünner besiedelte Landstriche des Kontinents, etwa Ostfries- oder Lappland; beispielsweise auch die Mittelstandseinzelnachweispflicht über mindestens "drei glückliche Handwerker" pro Beitrittsland. Insbesondere letztere Bedingung im Vertragswerk hat die deutsche Bundesregierung solange schlicht übersehen, daß deren regelgerechte Erfüllung zum heutigen Zeitpunkt bereits unrealistisch scheint. An diesem Punkt nun muß Kanzleramtsminister Schmidbauer nun tricksen: Er hat einen seiner berüchtigten BND-Agenten (Deckname: "Lumpazi Vagabundus") losgeschickt, um im Himmel eine Wette zwischen den Göttinnen des Reichtums und der Liebe zu provozieren, mit der er das gezielte Ausfindigmachen jener lästigen "drei glückliche Handwerker" angemessen tarnen zu können hofft. Selbst wenn es sich dabei nicht um wirkliche Handwerker handeln sollte...: für Maastricht ist Schmidbauer jeder Schwindel recht. Das Obdachlosentheater RATTEN 07 an der Volksbühne hat sich von Anfang an mit den unmittelbaren Lebens- und Erfahrungsräumen seiner Mitglieder auseinandergesetzt - erst mit dem feuchten Probenkeller in Mitte, dann gleich mit der ganzen drumherumliegenden Mulackstraße, in der die "Mulackei" ausgerufen wurde; mit der Volksbühne und ihren mentalen wie realen Eingeweiden, mit der vermeintlichen Olympiastadt Berlin und schließlich dann mit Deutschland einig Vaterland. Nach mehreren europaweiten Tourneen mit Büchners "Woyzeck" und "Leonce und Lena" hat sich das Blickfeld der RATTEN wiederum geweitet, ist der europäische Gedanke nunmehr ins Zentrum ihrer Arbeit gerückt. Nestroys seinerzeit sensationelles Zauberspiel "Der böse Geist Lumpazi Vagabundus oder das liederliche Kleeblatt" über die Sinn- und Charakterlosigkeit von Reichtum und Anstand und über das Glück der Liebe, des Müßiggangs und des Alkoholgenusses dient ihnen dabei als Folie für die Betrachtung der regionalen wie kontinentalen Entwicklungstendenzen und ihres eigenen darin zu erwartenden Standes. Daß sie dabei eher eine zeitgemäße Umsetzung von Nestroys Theaterform, seiner Texte und Couplets suchen, versteht sich von selbst. Und dennoch gilt weiterhin, jetzt erst recht: "Da wird einem halt angst und bang, die Welt steht auf keinen Fall mehr lang." Nestroys "Lumpen, aber treue Seelen, wahre Goldkerls" spielen: Abel, Charly, Claudia, Dennis, Dragan, Flo, Gabi, Heinz Kreitzen, Hunni, Lenin, Marion, Monster, Peter und Uli.

Regie: Gunter Seidler
Bühne: Bernd Schneider
Kostüme: Michaela Barth

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