Produktionen seit 1992 - 1999

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Obdachlosentheater RATTEN 07 spielt "König Lear"

Ratten sind Könige. Shakespeares "König Lear" ist ein Stück über Obdachlosigkeit.

Lear verteilt sein Reich an seine drei Töchter und fragt, welche ihn am meisten liebt. Cordelia, die jüngste, hält sich nicht an die Spielregeln dieses Rituals und wird verbannt. Gloster läßt sich von seinem verleumderischen natürlichen Sohn, dem 'Bastard' Edmund, gegen seinen integren legitimen Sohn Edgar aufbringen. Nachts, auf der Heide, treffen aufeinander: der gegen Undankbarkeit und Heuchlerei rasende Lear, von seinen älteren Töchtern inzwischen verstoßen, begleitet vom Narren, und der geblendete, seines Augenlichts beraubte Gloster, geführt vom sich als Wahnsinniger tarnenden Edgar. Alle befinden sich auf der Flucht. Cordelia, die das Reich zurückerobern will, wird gefangengenommen und ermordet. Lear stirbt über ihrer Leiche, Gloster, als er seinen rechtmäßigen Sohn wiedererkennt, an gebrochenem Herzen. Die anderen sind unterdessen so heillos in politischer Ranküne verstrickt, dass sie sich gegenseitig umbringen.

Die Inszenierung der Ratten 07 setzt auf Hybris und Polemik. Jeder kann Lear sein. Lear ist ein kollektiver Körper. Lear setzt alle einer schon anarchi(sti)sch-terroristisch anmutenden Versuchanordnung aus, in der sich sogar die politische Machtbühne von selbst zu destruieren scheint. Warum? Er scheint eine 'andere Freiheit' zu riechen, eine 'andere Intensität', eine 'verschüttete Utopie', die etwas Lebensnotwendiges zu enthalten scheint, was - da gefährlich - aus der etablierten Ordnung verdrängt worden ist. "König Lear" zeigt den Versuch einer Re-Territorialisierung dieses 'Geraubten Landes'. Lear setzt dafür die Macht aufs Spiel, seine und die aller. Er wird obdachlos und kommt im utopisch-negativen 'Gegenentwurf' der Erkenntnis dieser 'anderen Intensität' gefährlich nahe: "O welch eine Vermischung von Vernunft und Unsinn!" ('König Lear', IV, 7).

"König Lear" von William Shakespeare in der Übersetzung von Christoph Martin Wieland.
Es spielen die Ratten 07: Abel vom Acker, Ahmad, Conny, David, Flo, Frederik, Heinz Kreitzen, Herb, Hunni, Lisa, Manne, Peter, Ulli und fünf Hunde.

Regie: Hendrik Mannes, Bühne: Bernd Schneider, Kostüme: Antje Wennigmann, Licht: Hans-Hermann Schulze,
Regieassistenz: Bénédicte Trouvé.

Eine Produktion der Ratten 07 mit der Volksbühne Berlin. Gefördert durch den Fonds Darstellende Künste Essen.

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