Produktionen seit 1992 - 2001
z u r ü c k
Der Ameisenkönig
"Ich bereue nichts", sagt der in Formalin eingelegte Kopf Luigi Luchenis am Ende des Stücks, und meint damit den Mord an der Kaiserin von Österreich, Elisabeth genannt Sisi.
Diese Tat des heimatlosen Randgeschöpfs steht im Zeichen der anarchistischen Ideen am Ende des 19. Jahrhunderts, ist aber auch der Versuch, dem Unterschicht-Dasein für immer zu entfliehen und den eigenen Namen in den Zeitungen lesen zu können.
Doch die Reaktionen auf den Mord sind nicht die erwarteten: Luigis anarchistische Freunde, bei denen er eine Heimat gefunden zu haben glaubt, verurteilen die Tat; Sisi sucht ihn als Wiedergängerin auf und betrachtet ihre Ermordung als persönliche Erlösung; und die Ärzte und Gutachter bescheinigen ihm, daß er als Kranker gemordet hat und folglich keinerlei Verantwortung trägt.
Als Luigi schließlich im Gefängnis seine Tat aufschreibt und veröffentlichen will, wird er von Polizisten ermordet.
Kaum jemand hat ihn bemerkt, seine Tat ist fast vergessen, und Spuren wird er in der Nachwelt nicht hinterlassen.
Es ist "die Systematik", die allein bestimmt, wen sie ernst nimmt und wen nicht.
Selbst die anarchistischen Parolen, die Luigi ständig wiederholend zu seinen eigenen machte, werden absorbiert und gegen ihn gewandt: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen."
Was bleibt, ist Luigis trotzige Haltung "Ich bereue nichts".
Sicher hat seine Tat zu nichts geführt, aber dennoch war sie die einzige Alternative zur völligen Handlungsunfähigkeit.
Das erkennt irgendwann auch der Chor der Anarchisten, der vielleicht die Verhältnisse besser durchschaut, aber unfähig ist sie zu ändern.
Das Stück zeigt politische Widersprüche, die heute so nicht mehr bestehen, sich im Gegenteil völlig geändert haben, aber der Kampf gegen persönliche Benachteiligung und soziale Ungerechtigkeit hört deshalb noch lange nicht auf.
Regie: Ursula Kohlert
n a c h o b e n
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